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Ehrung nach beinahe 100 Jahren

Der Deutsch-Kamerunische Panafrikanist Joseph Ekwe Bilé, Schlüsselfigur der Weimarer Republik, erhält in Berlin eine Gedenktafel.




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Der vielseitig talentierte, antikoloniale Kommunist war Bauingenieur, Sänger, Kriegsveteran, Tänzer, Film- und Theaterschauspieler, angesehener Familienvater und vieles mehr.

Die „Berliner Gedenktafel“ für die bedeutende afrodiasporische Ikone der modernen Weimarer Republik wurde am 21. April in Schöneberg mit feierlichem afrikanischen Flair enthüllt. Hier lebte Joseph Ekwe Bilé im Jahr 1929. Eingeweiht wurde die Gedenktafel nun von Dr. Christine Regus, Leiterin des Referats Gedenkstätten, Museen, Einrichtungen bildender Kunst, dem Historiker Robbie Aitken sowie Anna Yeboah, der Gesamtkoordinatorin von Dekoloniale Erinnerungskultur in der Stadt.


Joseph Ekwe Bilé wurde 1892 in Douala geboren und war der Sohn des einflussreichen adligen Kaufmannes James Bilé a M'bule und seiner Frau Georgette Eyango. Joseph wurde, ebenso wie sein älterer Bruder Robert Ebolo und seine Schwester Esther Sike, von seinen Eltern fürs Studium nach Deutschland geschickt. Von 1912 bis 1914 besuchte er das Technische Gymnasium in Hildburghausen in Thüringen und schloss seine Ausbildung als Bauingenieur ab. Seine Geschwister kehrten vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges nach Douala zurück. Joseph jedoch bleib und kämpfte als freiwilliger Soldat im ersten Weltkrieg für Deutschland in Belgien.


Die Gedenktafel befindet sich in der Bülowstraße 39 in Berlin-Schöneberg, Copyright MF

Im Zuge des Ersten Weltkrieges verlor Deutschland die kamerunische Kolonie an Frankreich. Als die neue Mandatsbehörde in Kamerun nicht bereit war, Kameruner*innen aus den ehemaligen deutschen Kolonien die Rückkehr in ihre Heimat zu gestatten, wurde Joseph, so wie viele weitere afrikanische Zeitgenossen, in Deutschland staatenlos. Trotz seiner Hochqualifizierung im Bauingenieurwesen hatte er aufgrund des strukturellen als auch zivilgesellschaftlichen Rassimus in Deutschland Schwierigkeiten eine dauerhafte Beschäftigung zu finden. Unter anderen war dies Anlass für seine Mitbegründung des ersten Schwarzen Vereins in Deutschland: der Afrikanische Hilfsverein (AH) zur Repräsentation und Interessenvertretung Schwarzer Menschen und gegen kolonialrassistische Unterdrückung in Hamburg.


Aufgrund der Wirtschaftskrise in den 1920er Jahren, wechselte er sein Wohnungsort mehrmals; zuerst zog er von Ostpreußen nach Berlin, anschließend nach Wien und später wieder zurück nach Berlin. In dieser Zeit tritt er als Musiker und Entertainer auf Bühnen in Wien und Berlin auf – unter anderem mit Weltstars wie Josephine Baker im Apollo Theater und mit Paul Robeson im Deutschen Künstlertheater. Als Schauspieler in „Sonnenaufgang im Morgenland" hinterfragte er gekonnt die Klischee behafteten Bilder von Afrika und feierte die Schwarze Geschichte und Kultur.


Anne Yeboah setzt sich als Gesamtkoordinatorin des Projekts Dekoloniale für eine dekoloniale Erinnerungskultur in Berlin ein. Hier bei Ihrer Rede am 21. April, Copyright MF

Nachdem sich der Afrikanische Hilfsverein im Jahr 1920 auflöste, gründete Joseph 1929 gemeinsam mit Louis Brody und 30 weiteren Schwarzen Männern und Frauen das LzVN (Liga zur Verteidigung der N-Rasse). Dieser Verein verbündete sich europaweit und international mit Schwarzen Vereinen zur Befreiung von Schwarzen Menschen in Europa und Amerika, als auch zur Erlangung der Unabhängigkeit afrikanischer Staaten. Außerdem unterstützte sich das Netzwerk finanziell und moralisch im Fall von Krankheit und Arbeitslosigkeit.


Weltweit vernetzt, unter anderem auch mit dem Afroamerikaner James Ford, dem Trinidader George Padmore und dem Kenianer Jomo Kenyatta, diente Joseph bei mehreren Kundgebungen und Demonstrationen als Vertreter der Schwarzen Community in Deutschland. Im Jahr 1929 hielt er auf dem Berliner Alexanderplatz bei einer antikolonialen Demonstration eine Rede, in der er über die kolonialen Verbrechen des Deutschen Kaiserreichs und Europas in Afrika sprach und den Anti-Schwarzen Rassismus in Deutschland mit dem der USA verglich. Joseph plädierte für einen gemeinsamen Kampf der Unterdrückung. Ende 1930 trat er auch als Parteimitglied der Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) als politischer Redner auf und erreichte ein Massenpublikum.


Zwischen 1932 und 1934 hielt sich Joseph Ekwe Bilé fürs Studium an der kommunistischen Universität in Moskau auf. Unmöglich nach der Machtübernahme der Nazis nach Deutschland zurückzukehren, verschlug es Joseph nach Paris. Seine Karriere in der Politik beendete er aus persönlichen Gründen.


Im Jahr 1935 bekam er die Erlaubnis nach Kamerun zurückreisen zu dürfen. Nach seiner Rückkehr arbeitete er in Douala als Geschäftsmann und Architekt und sorgte so für seine Großfamilie. Er starb im Jahr 1959, ohne die Unabhängigkeit von Kamerun und das Ende der kolonialen, rassistischen Unterdrückung erlebt zu haben. 110 Jahre nach seiner Einreise nach Deutschland entschied sich die Stadt Berlin Joseph Ekwe Bilé mit einer Gedenktafel für sein leidenschaftliches politisches Engagement und seinen beeindruckenden Beitrag zur Emanzipation Schwarzer Menschen in Deutschland und der ganzen Welt zu würdigen.

Miriam Fisshaye

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