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Uganda – zwischen Stau und Naturgewalt


Fern von massentouristischen Zuständen wie in den Nachbarländern Tansania und Kenia reiste ich in diesem Sommer nach Uganda, von dessen malerischer Schönheit ich bereits viel gehört hatte. Nilquelle und Viktoriasee Bereits Winston Churchill hatte das damalige Königreich Buganda als „Garten Eden“ und „Perle Afrikas“ bezeichnet. Heute ist Uganda die Heimat von knapp 38 Millionen Menschen und bietet Zuflucht für 270.000 Geflüchtete aus dem Südsudan. Seit 2017 ist das Flüchtlingslager „Bidi Bidi“ im Norden des Landes das größte seiner Art weltweit. Bei meinem Kurztrip erlebte ich Uganda als ein Nest der Geborgenheit und die unberührte Vielfalt des Landes in Flora und Fanua hautnah. Die trockene tropische Hitze und der Geruch eisenhaltiger Erde ließen mich direkt fühlen, ich bin zurück in Afrika. Dazu die leicht chaotische Gepäckausgabe mit freundlichem und gelassenem Mitarbeiter_innen, so hieß mich die Stadt Entebbe in Uganda willkommen. Für 50 US-Dollar bekam ich, wie die meisten Tourist_innen problemlos ein Visum. Ich war überrascht, wie optimal das kostenlose Flughafen-W-Lan funktionierte, so konnte ich meine Familie direkt über meine Ankunft informieren. Mir fielen auch die vielen anderen Ostafrikaner_innen am Flughafen auf, besonders Menschen aus Somalia, Eritrea und dem Südsudan. Viele schienen auf ankommende Verwandte zu warten. Vom Flughafen Entebbe nahm ich ein Taxi in die ugandische Hauptstadt Kampala. Auf diesem Weg sah ich zum ersten Mal den beeindruckenden Viktoriasee. Die Weite des Gewässers, die Palmen entlang der Küste und vor allem zahlreiche exotischen Vögel verzauberten mich sofort. Ein großes graues Exemplar entpuppte sich bei einer kurzen Internetrecherche als Schuhschnabel. Mein Taxifahrer – ein Eritreer – wusste erstaunlich viel über Entebbe. Die Stadt seit bis 1962 die Hauptstadt des Landes gewesen. Er berichtete mir auch von dem Hollywoodfilm „90 Minutes in Entebbe“ von 1976. Er beruht auf der militärischen Befreiungsaktion „Operation Entebbe“, bei der unter anderem auch der Bruder des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu umkam. Ich hatte nie davon gehört, erfreute mich aber sehr an diesem Smalltalk. Je näher wir der Hauptstadt kamen, desto stärker nahm der Verkehr zu und wir benötigten mehr als zwei Stunden für die 40 Kilometer weite Fahrt. Wie sich die zahlreichen Autos, Motorräder – darunter vor allem die beliebten Motorradtaxen „Boda Boda“ – und LKWs koordinieren ohne andauernd Unfälle zu bauen, grenzte in meinen Augen an ein Wunder.

Einer meiner ersten Ausflüge führte mich ins „National Museum of Uganda“. Dort erfuhr ich erstmals von dem britischen Afrikaforscher John Hanning Speke und seiner verzweifelten Suche nach dem Ursprung des Nilflusses. Auf dem Rückweg zur Unterkunft nahm ich eines der genannten „Boda Boda“, was sich als sehr unterhaltsame Art erwies Kampala kennenzulernen. So kam ich an der ugandische Nationalmoschee vorbei, die nach dem langjährigen libyschen Staatsoberhaupt Muammar al-Gaddafi benannt ist und der das religiöse Gebäude Uganda als Geschenk bauen ließ. Des Weiteren fuhren wir an 5-Sterne-Hotels und palast-ähnlichen Gebäuden im Kolonialstil vorbei. Parallel dazu, die Vororte und Slums Kampalas, fliegende Händler mit Waren und Speisen aller Art.

Die urbanen Eindrücke verinnerlicht, startete ich am nächsten Tag zu meinem nächsten großen Abenteuer: dem „Murchison-Falls-Nationalpark“. 230 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt erstreckt sich der Nationalpark über 5.000 Quadratkilometer. Als Teil einer Reisegruppe verließ ich Kampala im Morgengrauen und konnte vom vom Busfenster aus beobachten, wie sich Landschaft und Bevölkerung veränderten. Während die Stadt überwiegend christlich geprägt ist, tauchen in den ländlichen Trockenwaldgebieten regelmäßig Moscheen im bunten afrikanischen Stil auf. Auf einer Brücke, die den Übergang vom Trockenwald zur Savanne markierte, begrüßte uns eine gemischte Gruppe Paviane. Das Männchen beäugte seine Weibchen aus der Entfernung, so dass wir sorglos kurz aufsteigen konnten um diesen naturnahen Moment festzuhalten. Nach zahlreichen Staus und mehreren Polizeikontrollen erreichten wir den Wasserfall erst gegen Mittag und verpassten die kleine Kreuzfahrt an den Fuß des Falls. Gemeinsam erkundeten wir den Nationalpark ohne Führung und gelangten so trotzdem in die Nähe des überwältigenden Murchison-Fall. Auf dem Weg begegneten wir seltenen Antilopenarten, Gazellen, afrikanischen Büffeln, Wildschweinen und verschiedene einzigartige Vogelarten, die wir bei einer Bootsfahrt nicht gesehen hätten. Das Highlight bildete wohl die Begegnung mit einer sehr dunklen Rothschild-Giraffe. Ein faszinierendes Naturschauspiel. Der Geräuschpegel des Murchison-Falls, der durch seine 43 Meter Fallhöhe erreicht wird, erwies sich als beeindruckend ohrenbetäubend. Ich wagte es an den Ufern dieses uralten Flusses zu spielen und mir die Hände zu waschen. Ehrfürchtig sehe ich auf dieses einmalige Erlebnis zurück. Ein weiteres Must-See, so wurde mir gesagt, sei die ugandische Nilquelle, des längsten Flusses der Erde. Ich reiste dafür mit einem Taxi in die Stadt Jinja am Nordufer des Viktoriasees. 84 Kilometer sind es von Kampala und führt vorbei an einer Vielzahl von pompösen Golf-, Reit- und Segelclubs, die mich erneut an die koloniale Vergangenheit des Landes erinnern. Ich begegne vielen Schülergruppen, die, wie ich, eine Exkursion an diesen schönen Ort machten. In der Nähe von Jinja entspringe der Nil, so erklärte es der Afrikaforscher Speke. Heute weiß man, der Weiße Nil hat seine Quelle im Grenzgebiet von Burundi und Ruanda, fließt dann in den Viktoriasee und entspringt in Jinga erneut ehe er sich in rund 6.000 Kilometer Entfernung in das Mittelmeer mündet. Für meinen ugandischen Guide aber ist und bleibt Jinja die Quelle des Nilflusses. Die Ugander_innen scheinen sehr stolz auf ihr Naturdenkmal zu sein. In der Innenstadt begegne ich einem Monument des indischen Widerstandkämpfers Mahatma Gandhi. Trotz seines langen Aufenthalts in Afrika, so berichtet mein Guide, war Gandhi nie in Uganda. Auf seinen Wunsch hin verstreute die Familie Ghandis Asche in den weltweit größten Flüssen und so blickt sein Mahnmal seither auf den Nilfluss. Den großen Murchison-Fall in Erinnerung, hatte ich ein ähnliches Schauspiel in Jinja erwartet. Durch den Bau des Bujagali-Wasserkraftwerks befinden sich der Wasserfall nun nicht mehr direkt an der Stadt. Kurz vor Sonnenuntergang erreichte ich die Bujagali-Fälle, die im freien Fall einen wolkenartigen Nebel hinterlassen. Zurück in der überfüllten Großstadt Kampala fällt mir auf, wie weit die neue Weltmacht China vertreten hier vertreten ist. Chinesische Produkte und Hotels und Sezuchan-Restaurants und Han-Schrift, die weder Einheimische noch Tourist_innen lesen können. Diese Erkenntnis ließ mich nachdenken, womit müssen sich viele afrikanische Städte, wie auch meine Heimat Addis Abeba, herumschlagen, um der globalen Entwicklung gerecht zu werden. Ich blieb ungewiss. Für mich persönlich stellte meine erste Reise nach Uganda eine große Bereicherung dar. Besonders bemerkenswert empfand ich die Gelassenheit der Kampaler_innen, trotz alltäglicher Sorgen wie Staus oder Zuwanderung. Sie blieben steht die Ruhe in Person. Dies alles hat meine Reise nach Uganda unvergesslich gemacht, sodass ich mir vorgenommen habe, bald wieder zurückzukehren. Miriam Fisshaye

Dieser Beitrag wurde ursprünglich in Lonam Magazine Juli/August 2017-Ausgabe veröffentlicht.

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